Stellungnahme der Initiative Dessauer Ufer zum Mahnmal am Lagerhaus G

Seit letztem Jahr steht dieses Mahnmal vor dem Lagerhaus G. Warum wir zwar begrüßen, dass vor Ort an die Verfolgten im NS erinnert werden soll, wir dieses Denkmal jedoch für kontraproduktiv, unangemessen und nicht tragbar halten und was das mit Antisemitismus zu tun hat, haben wir und Dr. Rosa Fava (Amadeu-Antonio-Stiftung) in zwei Statements festgehalten, die hier als PDF hochgeladen sind. Hier einmal in Kürze: Das Mahnmal des Künstlers Carsten Bardehle ist den im NS ermordeten Kindern gewidmet und zeigt ein Kind, das unter einer Schraubzwinge eingezwängt ist. Am Mahnmal finden sich verschiedene Zitate sowie ein kürzerer Text. Wir haben darauf verzichtet, ein Foto des Texts hier zu veröffentlichen, um die Inhalte nicht zu reproduzieren. Ein Foto lässt sich aber bei den Statements finden.

Zunächst sollte das Mahnmal an anderen Orten aufgestellt werden, wurde durch die dortigen Initiativen jedoch abgelehnt. Nun ist es durch die Heritage Foundation am Lagerhaus G eingeweiht worden.

Der am Mahnmal angebrachte Text erklärt den Nationalsozialismus durch ein Narrativ, in dem eine „habgierige“ und „arbeitsscheue“ kleine Gruppe, die heimlich im Hintergrund agiert, durch Taktik und Agitation die Menschen in Deutschland dazu bringt, sich ihnen anzuschließen. Dies negiert die breite Zustimmung eines großen Teils der Deutschen zum NS, dessen Ziele offenlagen und ihre freiwillige und bewusste Beteiligung an den nationalsozialistischen Verbrechen. Der NS wird zudem inhaltlich entleert und auf reines Machtstreben einer kleinen Gruppe reduziert.

Dieses Narrativ halten wir nicht nur für historisch inkorrekt, sondern auch für gefährlich. Mit dem Bild einer geheimen, strippenziehenden Gruppe im Hintergrund enthält der Text ein zentrales verschwörungsideologisches Element, dessen antisemitischen Gehalt Dr.  Rosa Fava von der Amadeu-Antonio-Stiftung für uns herausgearbeitet hat (zweites Statement).

Besonders an einem Ort wie dem Dessauer Ufer, an dem ein großer Teil der Häftlinge als jüdisch verfolgt wurde, wirkt dies mehr als unangemessen. Auch nimmt die Statue keinen konkreten Bezug auf die Verfolgten und Verantwortlichen am Dessauer Ufer, sondern nennt mit Kindern eine Gruppe, die am Lagerhaus G nicht inhaftiert war. Durch seine inhaltliche Entleerung macht der Text zudem eine Auseinandersetzung mit dem NS und seiner zentralen Inhalte, wie Antisemitismus, Rassismus, Sozialdarwinismus und deutscher Nationalismus unmöglich. Die Zuschreibung der „Agitatoren“ und ihrer Unterstützer als „faul“, „arbeitsscheu“ und „habgierig“ kritisieren wir in ihrer Fortführung nationalsozialistischer Feindbilder ebenfalls deutlich.

Zur Form der Erinnerung an den NS und seiner Opfer gibt es verschiedene Positionen. Nicht jedes Mahnmal spricht alle Menschen an oder repräsentiert für alle das, was intendiert ist. Die hier formulierten Kritikpunkte gehen unserer Meinung nach jedoch über Fragen von Präferenzen oder unterschiedlichem Geschmack hinaus.

Hier findet ihr die Stellungnahmen zum Download:

IDU_Stellungnahme_Kritik Mahnmal_04.2022

Dr. R. Fava_Stellungnahme_Kritik Mahnmal_04.2022

 

Update zum Mahnmal am Lagerhaus G (11.05.)

Nach unserem Statement ist die Lagerhaus G Heritage Foundation auf uns zugekommen. Diese weist die Verantwortung für den Verbleib der Skulptur am Lagerhaus zurück. Wir bleiben weiter im Gespräch und setzen uns für eine Entfernung des Mahnmals ein.

Unsere Bilder zeigen die Skulptur und die kommentierende Tafel der Lagerhaus G Heritage Foundation.

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