Józef Potyka

Die Männer, die ab Mitte September 1944 im KZ-Außenlager Dessauer Ufer inhaftiert waren, wurden aus unterschiedlichen Gründen verfolgt. Von Menschen, die aus politischen Gründen verfolgt wurden, kennen wir einige Geschichten gut, da diese oftmals Zeugnisse über ihre Haftzeit ablegten. Teilweise haben diese Menschen aktiv an der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen mitgearbeitet oder über den Kontakt zu Gedenkstätten und Initiativen anderer ehemaliger Häftlinge versucht, ihre eigene Haftzeit zu rekonstruieren.

Foto: ANg 2002-2568, Józef Potyka bei einem Besuch am Dessauer Ufer

Das Schicksal von Häftlingen, die aus anderen Gründen verfolgt wurden, lässt sich teilweise deutlich schwerer rekonstruieren. Józef Potyka ist einer dieser ehemaligen im KZ Inhaftierten, der Zeugnis über seine Verfolgungsgeschichte und sein Leben ablegte.

Józef Potyka1 wurde 1916 in Ruda Śląska in Schlesien im heutigen Polen geboren. Er besuchte die Grundschule, eine Handelsschule und arbeitete als Verwaltungskraft im Gemeindeamt.

Bei Kriegsausbruch kämpfte Józef Potyka auf polnischer Seite gegen die Deutschen, allerdings nicht im Militär, sondern in einer schnell aufgestellten Truppe Freiwilliger. Kurze Zeit später wurde er in Ruda Śląska festgenommen. Weil ein Bekannter sich für ihn einsetzte, wurde er zwar zunächst wieder freigelassen, aber bald darauf nach Hannover verschleppt, um dort Zwangsarbeit zu verrichten. Dort schloss er sich einer Gruppe polnischer Zwangsarbeiter an, die gemeinsam heimlich BBC hörten. Die Gestapo erfuhr hiervon und nahm die Beteiligten fest.

Józef Potyka musste harte Verhöre und Folter ertragen. Er überlebte die Haft im Arbeitserziehungslager Lahde. Sogenannte Arbeitserziehungslager (AEL) gehörten zu den Instrumenten des nationalsozialistischen Staats, die dem Zweck entsprachen Widerstand zu brechen. Die AEL unterstanden der Gestapo und wurden als polizeiliche Haftstätten eingerichtet. Es gab keinerlei Möglichkeiten gegen eine Inhaftierung in einem AEL Rechtsmittel einzulegen. Die Haft im Arbeitserziehungslager sollte der Abschreckung dienen und dauerte meist zwischen 21 und 56 Tagen.

Vom AEL Lahde aus wurde Józef Potyka in das Stammlager des Konzentrationslagers Neuengamme überstellt. Kurze Zeit später wurde er weiter in das KZ-Außenlager Dessauer Ufer transportiert.

Er berichtete davon, dass er nach Bombenangriffen in Hamburg Trümmer beseitigen musste. Teilweise mussten die Häftlinge Blindgänger freilegen, was besonders gefährlich war. Potyka erinnerte sich auch an Begegnungen mit Hamburger_innen, die versuchten ihm zu helfen, indem sie ihm heimlich Zigaretten oder Brot gaben.

Als das Außenlager Dessauer Ufer geräumt wurde, kam Józef Potyka in das Auffanglager Sandbostel. Das Stalag X B Sandbostel war ursprünglich ein Kriegsgefangenenlager. Gegen Kriegsende wurden hier auch etliche KZ-Häftlinge zusammengedrängt. Da hierfür keine Vorbereitungen getroffen wurden, herrschten chaotische Zustände und die Häftlinge erhielten mehrere Tage lang keinerlei Nahrung. Viele starben dort noch kurz vor der Befreiung.

Potyka überlebte und kam aufgrund seines geschwächten Zustands nach Schweden, wo er gesund gepflegt wurde. Ende des Jahres 1945 kam er über Umwege wieder zurück in seinen Heimatort Ruda Śląska.


1 Informationen aus: ANg HB 1721 und HB 1736 von Józef Potyka