Mads Madsen

Die Männer, die ab Mitte September 1944 im KZ-Außenlager Dessauer Ufer inhaftiert waren, wurden aus unterschiedlichen Gründen verfolgt. Von Menschen, die aus politischen Gründen verfolgt wurden, kennen wir einige Geschichten gut, da diese oftmals Zeugnisse über ihre Haftzeit ablegten. Teilweise haben diese Menschen aktiv an der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen mitgearbeitet oder über den Kontakt zu Gedenkstätten und Initiativen anderer ehemaliger Häftlinge versucht, ihre eigene Haftzeit zu rekonstruieren. Das Schicksal von Häftlingen, die aus anderen Gründen verfolgt wurden, lässt sich teilweise deutlich schwerer rekonstruieren.

Foto: ANg 2013-124, Portraitfoto von Mads Madsen

Mads Madsen ist einer dieser ehemaligen im KZ Inhaftierten, der Zeugnis über seine Verfolgungsgeschichte und sein Leben ablegte.1 Mads Madsen wurde 1920 in Nordschleswig geboren. Nordschleswig gehörte ab 1920 zu Dänemark. Mads Madsen, der bereits als Kind interessiert am politischen Geschehen war, schloss sich nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Dänemark im April 1940 einer Widerstandgruppe an. Diese betrieb unter anderem Sabotage gegen die deutschen Truppen. Aber die Deutschen entdeckten die Gruppe und Mads Madsen wurde festgenommen. Er kam nach Verhören zuerst in ein Gefängnis und dann in das Internierungslager Frøslev. Im Januar 1945 wurde er in das KZ Neuengamme und von dort aus in das KZ-Außenlager Dessauer Ufer weiterverschleppt. Er beschrieb den Alltag am Dessauer Ufer, der durch lange Arbeitszeiten, sich wiederholende Zählungen und nächtliche Bombenalarme bestimmt war. Er erinnert sich folgendermaßen: „Von sowas werden Menschen müde, todesmüde. Nie ausgeruht sein, nie satt, nie warm sein“2. Mads Madsen kam im April 1945 im Rahmen der Aktion „Weiße Busse“ nach Schweden zur Genesung, bevor er nach Dänemark zurückkehrte.

Seit Februar 1945 verhandelte der Vizepräsident des Schwedischen Roten Kreuzes, Graf Folke Bernadotte, mit dem Reichsführer-SS Heinrich Himmler über die Lage der skandinavischen Gefangenen. Schließlich stimmte Himmler zu, dänische und norwegische Häftlinge, die im deutschen Gebiet in Gefängnissen, Zuchthäusern, Kriegsgefangenenlagern und Konzentrationslagern inhaftiert waren, im KZ Neuengamme zu sammeln, um sie nach Skandinavien zu bringen. Zunächst wurden die kranken Häftlinge nach Schweden evakuiert. Am 20. April wurden dann 4.000 weitere skandinavische Häftlinge von Neuengamme aus nach Schweden gebracht. Auch die Frauen, die im KZ Ravensbrück inhaftiert waren, kamen mithilfe der Weißen Busse nach Schweden. Der Name der Aktion leitet sich von den weiß gestrichenen Bussen ab, in denen die Inhaftierten transportiert wurden.

Mads Madsen beschrieb ein Zugehörigkeitsgefühl, das er als politischer Gefangener verspürte. Innerhalb der Konzentrationslager bildeten sich teilweise eigene soziale Gemeinschaften heraus. 3 In dieser Extremsituation suchten sich insbesondere die politischen Gefangenen Gleichgesinnte und bildeten Gruppen, teils um Widerstand zu leisten, vor allem aber, um sich gegenseitig zu unterstützen. Solche Hilfe untereinander konnte den Unterschied zwischen Überleben und Sterben bedeuten. Im Januar 2020 ist Mads Madsen in seinem 100. Lebensjahr verstorben.


1 ANg HB 2094, Mads Madsen.
2 Ebd. S. 5.
3 Siehe auch: Suderland, Maja: Ein Extremfall des Sozialen. Die Häftlingsgesellschaft in den
nationalsozialistischen Konzentrationslagern, Frankfurt a. M. 2009.