Vergangenheit spiegeln / Zukunft projizieren am Bullenhuser Damm

 

Salon und Filmraum in der Schule am Bullenhuser Damm zur Woche des Gedenkens Hamburg-Mitte

24.04. bis 27.04.2025

Täglich geöffnet ab 17:00 Uhr.

Das ganze Programm unter: hallohallohallo.org/salon-filmraum/

Das Gebäude in Rothenburgsort, das 1944/45 als Außenlager des KZ-Neuengamme diente, ist heute in Teilen eine Gedenkstätte, die v.a. an die dort kurz vor Kriegsende von der SS ermordeten 20 jüdischen Kinder und 28 Erwachsenen erinnert. Abgesehen von einer Kita sind weite Flächen des Hauses jedoch seit Jahrzehnten ungenutzt. Für vier Tage aktivieren wir diesen Leerstand als einen Raum zum Reden, Zuhören und Filme schauen – samt einer Ausstellung zum Spannungsfeld „Gedenkorte und Stadtentwicklung“.

Anläßlich des 80. Jahrestags der Befreiung, aber auch der Morde am Bullenhuser Damm setzt unser dokumentarisches Filmprogramm mit zwei Filmen aus den 1980er Jahren zur tragischen Geschichte der Schule einen ortsbezogenen Rahmen zur Entstehung des Gedenkortes. Darüber hinaus zeigen wir zehn ausgewählte Filme, die mit einem Fokus auf Biographien vom Überleben und vom Widerstand im Nationalsozialismus erzählen. Unser Blick soll sich dabei besonders auf die generationsübergreifenden Folgen und Traumata durch die Verfolgung richten. Denn die Frage nach der Zukunft der Erinnerung an die Verbrechen im Nationalsozialismus muss immer wieder neu beantwortet werden. Und in ihr verbindet sich das Private mit dem Politischen.

Unser Filmsalon ist auch der Versuch, das Gebäude jenseits der Gedenkstätte im Kellergeschoss wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – temporär zwar, aber modellhaft. Dazu wollen wir uns mittels der Filme der Geschichte des Ortes widmen und eine Debatte über seine Zukunft anstoßen. Der jahrzehntelange Leerstand ist auch ein beredtes Zeugnis der Ratlosigkeit über den Umgang mit einem komplizierten Gebäude. Wir wollen mit unserem Salon zudem neue Impulse in einen auch sonst vernachlässigten Teil der Stadt Hamburg bringen und laden herzlich dazu ein, in den Hamburger Osten zu kommen.

Ergänzt wird der Filmsalon durch zwei Ausstellungsräume: In einem zeigt die Initiative Dessauer Ufer, die zu einem nur wenige Kilometer entfernten anderen ehemaligen KZ-Außenlager arbeitet, ihre aktualisierte Ausstellung „Zeitkapsel Lagerhaus G“. Der andere wird einer Dokumentation des Planungsstands der Neubebauung der näheren Umgebung der Schule Bullenhuser Damm gewidmet sein, wobei insbesondere auch die Perspektive der Aktionsgemeinschaft Ost, die die Umgestaltung des städtischen Raums im Bereich des sog. ‚Billebogens‘ kritisch verfolgt, Platz finden soll. Beide Ausstellungen verbindet die komplexe Frage nach den Widersprüchen und Möglichkeiten, die sich auftun, sobald Gedenkorte und Stadtentwicklung aufeinandertreffen. Wie lassen sich städtebauliche Prozesse und Erinnerungsarbeit miteinander verbinden, wo stehen sich diese aus welchen Gründen im Weg? Der geplante Filmsalon soll auch ein Ort sein, der dieser Debatte Raum verschafft, Informationen anbietet und Denkanstöße liefert.

Der aktuelle Rechtsruck mit seinen west- und ostdeutschen Ausprägungen verschiebt die gesellschaftlichen Aufmerksamkeitsökonomien in einer Weise, dass ohnehin marginalisierte Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. Und das geschieht innerhalb des Kontextes einer neoliberal geprägten Stadtentwicklung, in denen Räume des Austauschs eher weniger als mehr werden und Gedenkorte in erster Linie über Besucher*innenzahlen bewertet und als Tourismusziele geratet werden.

Gedenkorte sind erkämpfte Räume. Erkämpft von betroffenen Communities, Initiativen und Angehörigenverbänden in meist langwierigen Prozessen. Die Frage nach der Notwendigkeit und der Ausgestaltung von Erinnerungsorten muss stets am konkreten Ort aktualisiert werden. Die Debatte über darüber hinausgehende Nutzungsformen, die ihre Zugänglichkeit garantiert und die historische Bedeutung des Ortes miteinbezieht, gilt es im Kontakt miteinander zu führen.

Lasst uns gemeinsam darüber nachdenken, wie gemeinwohlorientierte, soziokulturelle und stadtteilbezogene Zukünfte im Spiegel der Vergangenheit projiziert werden können.

Eine Kooperation der Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm e.V.Initiative Dessauer Ufer und Hallo: Verein zur Förderung raumöffnender Kultur e.V., alle Teil der AG OST.

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Filmprogramm:

24.4.25 / Donnerstag:

18.30 Uhr: „Das Tribunal – Mord am Bullenhuser Damm“ / 148 min. / von Lea Rosh
(mit Gästen)

25.4.25 / Freitag:

Filmpremiere mit Gästen!

17 Uhr : DANN VERGESSE ICH ALLES  / 15 min / von Daniel Poštrak u.a.

17.45 Uhr: MIRJAM – LEBEN MIT MAUTHAUSEN von Allegra Schneider u.a.  / 37 min
(mit Gästen)

19 Uhr: WIR DÜRFEN ES NICHT VERGESSEN / 74 min. / von Thorsten Wagner
(mit Gästen)

21 Uhr: NELLY & NADINE von Magnus Gertten / 92 min

26.4.25 / Sonnabend:

17 Uhr: MENDEL SCHAINFELDS ZWEITE REISE NACH DEUTSCHLAND / von Hans-Dieter Grabe / 43 min.

19 Uhr: „Pizza in Auschwitz“ / 64 min. / von Moshe Zimerman

21 Uhr: NICHT VERRECKEN von Martin Gressmann / 110 min

27.4.25 / Sonntag:

18 Uhr: „Die Kinder vom Bullenhuser Damm“ / 75 min. / von Karl Siebig

20 Uhr: „Hammerbrook Blues“ / 65 min. / von Louis Fried
(mit Gästen)

 

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Save the date: Barkassenfahrt am 27.04.2025

Seid dabei bei unserer Veranstaltung „Stadtpolitik vs. Erinnerungskultur: Die Zukunft von Gedenkorten im Hamburger Osten“.

Auf dieser Barkassenfahrt werden wir anhand verschiedener Orte aktuelle erinnerungskulturelle Diskussionen beleuchten, die sich mit den Themen NS-Zwangsarbeit, historische Verantwortung und der Rolle von Gedenkorten in der Stadtplanung auseinandersetzen.
Von den Landungsbrücken werden wir u.a. zu den Stationen Lagerhaus G und zur ehemaligen Schule Bullenhuser Damm fahren, wo die Fahrt endet. Im Anschluss laden wir alle ein, dort die Filmvorführung „Die Kinder vom Bullenhuser Damm“ (1983) von Karl Siebig zu sehen. Diese startet um 18 Uhr und dauert 75 Minuten.

  • 27. April 2025
  • 14-17 Uhr
  • Baumwall

Mehr Infos folgen bald!

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„Lagerhaus G – Perspektiven Visionen Forderungen“ – 3. aktualisierte Version

Seit Kurzem liegt die 3. aktualisierte Auflage unseres kleinen orangenen Heftes vor!

Hier könnt ihr euch das PDF runterladen:
IDU_PerspektivenVisionenForderungen_Auflage3

Mit der Veröffentlichung beschreiben und kommentieren wir die weiterhin ungeklärte Situation rund um das ehemalige Außenlager des KZ Neuengamme.

Neben einer kurzen Einführung in die Geschichte des Gebäudes formuliert die Initiative hier Vorschläge für künftige Nutzungsformen des Gebäudes auf einer gemeinwohlorientierten Basis.

Dass sich die aktuellen Betreiber:innen und die Hafencity GmbH als zuständige Stadtentwicklungsgesellschaft seit nunmehr sieben Jahren auf keine vertragliche Lösung zur Nutzung des Hauses und des Grundstücks einigen können und damit die überfällige Erforschung des Ortes blockieren, ist ein Skandal. Auch die anderen Erscheinungsformen der Stadt wie die Hamburg Port Authority (HPA) oder die Kulturbehörde zeigen keinerlei erkennbares Engagement zur Sicherung des Ortes. Das Lagerhaus G war ein städtischer Speicher, der der Stadt Hamburg einst durch den Kolonialhandel und im Nationalsozialismus durch die Unterbringung von Zwangsarbeiter:innen stets Profite beschert hat. Allein aus Verantwortung vor der eigenen Geschichte ist die Untätigkeit der Stadt und ihr Schweigen zur Situation am Dessauer Ufer geradezu brüllend.

Schreibt uns oder holt euch das Heft ab und bringt es unter die Leute, denn der Kampf um den Erinnerungsort am Dessauer Ufer ist noch lange nicht ausgestanden!

Text: Initiative Dessauer Ufer
Gestaltung: Juliane Kratzer

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Redebeitrag vom 12.11.24 anlässlich der Stolpersteinverlegung vor dem Lagerhaus G

Am Morgen des 12. November 2024 wurden drei Stolpersteine für die Italienischen Militärinternierten Aquilino Spozio, Ermino Fusa und Luige Fusi verlegt.
Am Abend haben wir auf Einladung von Holger Artus und der Projektgruppe Italienische Militärinternierte eine Rede gehalten.

„Auch wir begrüßen euch herzlich auf dieser Veranstaltung, danke dass ihr gekommen seid.

Wir sind von der Initiative Dessauer Ufer. Wir haben uns 2017 zusammengeschlossen, um uns für einen Gedenk- und Lernort im Lagerhaus G einzusetzen.
An diesem Ort waren etwa 6.000 Italienische Militärinternierte untergebracht. Es war das größte Internierungslager in Hamburg. Hier befand sich auch eines der größten KZ-Außenlager Hamburgs. Im Juli 1944 wurden 1.500 Frauen aus Auschwitz hierhin deportiert. Ab September 1944 wurden etwa 2.000 männliche Häftlinge aus dem Stammlager Neuengamme hierher gebracht.

Insgesamt eine halbe Million Menschen, Zwangsarbeiter*innen aus Osteuropa, Zivilist*innen aus anderen besetzten Gebieten, sowjetische Kriegsgefangene und Italienische Militärinternierte wurden unter menschenunwürdigen Bedingungen gezwungen, die Trümmer in der bombardierten Mineralölindustrie im Hafen zu räumen und zu weiteren Arbeiten in und um Hamburg, für die Stadt aber auch für privatwirtschaftliche Unternehmen eingesetzt.
Die Dessauer Straße, in der wir jetzt stehen, war dabei zentral für die Verteilung von Zwangsarbeiter*innen im Hamburg Hafen. Die 1921 in einer nordböhmischen Kleinstadt geborene Margit Hermannova, die 1944 in das Außenlager im Lagerhaus G deportiert wurde, beschreibt ihre Zeit in Hamburg:

“Hamburg, diese stolze, reiche Hafenstadt gleicht einer heruntergekommenen Schönen, deren Leib Wunden und Schwären bedecken und deren schmutziger Unterrock auf Schritt und Tritt hervorlugt. Überall sind Lager, Kriegsgefangenen- und Arbeitslager, große und kleine KZs. Ganze Viertel liegen in Schutt und Asche […].
Längs der eilig freigeschaufelten Straßen erheben sich hohe Schutthalden, unter denen noch unbegrabene Leichen liegen. Zwischen den Ziegeln und Steinen stecken hie und da kleine Holzkreuze – Wegweiser zu den Toten. […]
Die Stadt gibt nicht auf. Nach jedem Fliegerangriff setzen fieberhafte Aufräumungsarbeiten ein. Schutt wird weggeschaufelt, um die Straßen freizulegen. Blindgänger werden entschärft, heile Ziegel aussortiert und beschädigte zermahlen und zu Bausteinen verarbeitet. Was gestern zerstört wurde, wird heute mit Bienenfleiß wieder aufgebaut. Wer tut diese Arbeit? Häftlinge, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus allen Ländern im Machtbereich Hitlers.
Überall kleben Plakate mit der Aufschrift ‘Alle Räder rollen für den Sieg’ und die Flüsterpropaganda ergänzt leise den Slogan mit dem Spruch ‘und viele Köpfe nach dem Krieg’.
Die Kinder des versklavten Europas lassen die Räder rollen, wenn auch nicht aus freien Stücken. Jammergestalten aus dem Fuhlsbütteler Zuchthaus, KZ-Häftlinge beiderlei Geschlechts in gestreifter Kluft, […] Italiener […] in zerrissenen grau-grünen Uniformen, mit der Aufschrift “MI” (Militärinternierte). […]
Wir begegnen […] Franzosen, die uns zuwinken. Manche tragen schwarze Barette, manchen baumeln winzige Quasten an der Mütze. Wir sehen […] Holländer und Vlamen und die Gruppe “OST”, Männer und Frauen im Lumpen, die häufig nicht einmal Schuhe besitzen. Sie schlurfen dahin mit gesenkten Köpfen, die Blicke zu Boden gerichtet, wie verprügelte Hunde.
Die Frauen tragen eingeschlagene Kopftücher, die ihre Stirn bis zu den Augenbrauen verhüllen. Alle verrichten Schwerarbeit, ohne Ruhepause, und sie schweigen beharrlich, als verstünden sie die Aufschrift auf den Plakaten, die an allen Häuserecken kleben.” (Harburger Jahrbuch, S. 176-178)

Diese Begegnungen, Kontakte oder Beziehungen zu anderen Verfolgten beschreiben auch viele andere Frauen des KZ-Außenlagers in ihren Erinnerungsberichten. Diese Begegnungen waren so wertvoll, weil die Frauen für die Nazis auf der untersten Stufe der rassistischen und antisemitischen Hierarchie standen. Das Zusammentreffen der Italienischen Militärinternierten und der jüdischen Frauen am Dessauer Ufer führte zu vielfältiger Hilfe und steht in besonderem Kontrast dazu, wie selten die Frauen durch deutsche Wachleute, Vorarbeiter, Aufseherinnen oder auf der Straße eine menschenwürdige Behandlung erfahren haben.
Während in Deutschland die Erinnerung an vermeintliche deutsche „Trümmerfrauen“ Allgemeingut ist, sind die unterschiedlichen Formen von Zwangs- und Sklavenarbeit, die unter aller Augen mitten in der Stadt verrichtet werden musste, nicht vergessen, aber doch gründlich verdrängt.

Wir sind der Meinung, dass es dringend einer Auseinandersetzung und Erinnerung an diese halbe Million Menschen in Hamburg braucht. Von unermüdlichen Aktivist*innen wie denen der „Projektgruppe Italienische Militärinternierte in Hamburg 1943-1945″ erkämpfte Gedenkzeichen wie diese Stolpersteine sind für uns daher erst der erste Schritt. Langfristig braucht es aus unserer Sicht einen Gedenk- und Lernort, der sich mit der Geschichte nationalsozialistischer Zwangsarbeit in Hamburg befasst.

Und welcher Ort wäre dafür besser geeignet, als das einzige vollständig baulich erhaltene Gebäude, in dem sich nicht nur eines der größten KZ-Außenlager Hamburgs befand, sondern auch ein Lager für Italienische Militärinternierte, mit weiteren Lagern für osteuropäische Zwangsarbeiter*innen in unmittelbarer Nachbarschaft.

1945, als auch den Letzten klar wurde, dass die Nationalsozialsten den Krieg nicht mehr gewinnen würden, ließ die Stadt ihre KZ-Außenlager räumen, damit der Ruf der Stadt, die so umfangreich von der Arbeit der hungernden Häftlinge profitiert hatte, bloß nicht durch deren Anwesenheit beschädigt würde. Über 80 Jahre später muss aus unserer Sicht Schluss sein mit der Verdrängung und durch die Stadtgesellschaft. Wir brauchen einen Gedenk- und Lernort am Dessauer Ufer.

Wenn wir in die Gegenwart schauen, merken wir sicherlich alle, dass diese 80 Jahre Verdrängung und die Kontinuitäten über 1945 hinweg nicht spurlos an dieser Gesellschaft vorüber gegangen sind. Wir leben in einer post-nationalsozialistischen Gesellschaft, die nach wie vor durch Ausgrenzung und Abwertung und durch Rassismus und Antisemitismus geprägt ist. Gedenken und Erinnerung an die Geschichte der Zwangsarbeit bedeutet deshalb für uns auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Gegenwart. Auch das muss aus unserer Sicht Platz im Lagerhaus G finden.

Wir fordern deshalb über eine Gedenkstätte hinaus im Lagerhaus G Platz zu schaffen, für antifaschistische Auseinandersetzungen mit der Gegenwart, sei es in Form von Initiativen, Bildungsprojekten oder Kunstprojekten. Wir laden euch alle ein, diese heute verlegten Stolpersteine nicht nur zu einem Moment des Innehaltens zu nutzen, sondern zum Ausgangspunkt für eine tiefere und dauerhafte Auseinandersetzung mit der Geschichte nationalsozialistischer Zwangsarbeit in Hamburg und den Fragen, die sich daraus für unsere Gegenwart ergeben.“

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Wir möchten uns bei allen bedanken, die gestern zur Gedenkveranstaltung gekommen sind und mit uns der über 150 getöteten KZ-Gefangenen des Krankenreviers gedacht haben.
Diese waren von der SS in den oberen Stockwerken von Haus 1 des Lagerhaus G untergebracht, wo sie keinen Schutz bei Bombardierungen hatten.

Danke auch an alle, die im Anschluss Blumen abgelegt und sich mit uns ausgetauscht haben.
Wir waren sehr dankbar an diesem Tag auch Vera Trnka kennenlernen zu können, deren Mutter Milada Neuradovà im Juli 1944 zusammen mit 1500 weiteren als Jüdinnen verfolgten Frauen aus Auschwitz in das Außenlager Dessauer Ufer deportiert wurde.

„[…] wenn wir sahen, wie Hamburg bombardiert wurde, erfüllte uns das mit Freude, wir waren froh, zu sehen, daß die R[oyal]A[ir]F[orce] kam, um Deutschland zu bombardieren. Und ich habe es selber erlebt […] wir wurden gerade bombardiert und mit Maschinengewehren beschossen, und dann, als alle Leute das weite suchten, da waren wir, ein anderer Franzose und ich, wir waren wie zwei Verrückte […] mitten auf der Straße zurückgeblieben und schauten uns die Flugzeuge in der Luft an […] und brachten johlend unsere Zufriedenheit zum Ausdruck. Und neben uns stand natürlich ein SS-Mann […]. Aber […] als wir das sa[h]en wurde es uns warm [ums Herz] – das ermutigte un[s] sehr, und – wir freuten uns.“ (Jean leBris)

 

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Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Bombardierung des Lagerhaus G

Gedenkveranstaltung 25.10.2024, 16 Uhr vor dem Lagerhaus G

„An einem schönen Mittag gegen 1 Uhr sind auf das Lager Dessauer Ufer Brandbomben gefallen. Es war ein großes Glück, dass fast alle Leute auf Außenkommando waren. Im Lager waren damals nur etwa 200 Kranke im Revier…“ (Stefan Brozdowicz 1949)

Bild: Frihedsmuseet, Kopenhagen

Wir möchten am 25. Oktober 2024, 80 Jahre nach der Zerstörung von Teilen des Lagerhaus G durch Fliegerbomben, gedenken. Mehr als 150 KZ-Häftlinge starben am 25.10.1944 im Lagerhaus G. Die SS war dafür verantwortlich, dass die kranken Häftlinge im Krankenrevier in den oberen Stockwerken untergebracht waren, womit sie den Bomben schutzlos ausgesetzt waren.

Die anderen Häftlinge wurden noch am selben Tag in den Gefängniskomplex Fuhlsbüttel transportiert.

Das Lagerhaus G war zu diesem Zeitpunkt ein KZ-Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme für 2000 männliche Häftlinge. Sie mussten im Hafen und den umliegenden Stadtteilen für die Ölindustrie, die Baubehörde, die Wasserwerke, die Bahn und weitere Betriebe schwere, lebensgefährliche Zwangsarbeit leisten.

Wir möchten an einige Häftlinge vom Dessauer Ufer erinnern, wir werden ihre Stimmen hören und aus ihren Erinnerungen lesen.

Dies schrieb Gino Sirola:

„Ich hatte nur einen Wunsch: etwas in den Mund zu stecken und mich vor der Kälte zu schützen. Die Feuchtigkeit ging mir bis in die Knochen hinein, sie nagte mir bis ins Gedärm.“

 

 

Mit dieser Veranstaltung gedenken wir des 80. Jahrestages der Bombardierung des KZ-Außenlagers.

Wir laden euch ein, mit uns zu gedenken!

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Ausstellung der Kulturretter:innen auf Kampnagel

Es gab neben den unpassenden Vorkommnissen vor dem Lagerhaus G durch die Bundeswehrübung jedoch auch schöne Ereignisse in der letzten Zeit.

Wie von uns angekündigt, wurde am 27.09.24 die Ausstellung der Kulturretter:innen auf Kampnagel eröffnet. Wir haben uns gefreut so viele Besucher*innen und andere Kulturretter:innen zu treffen und ins Gespräch zu kommen.

Im Rahmen der Ausstellung wurde am 06.10.24 auch der Film ‚Lagerhaus G‘ von Filmemacher und IDU-Mitglied Markus Fiedler im Alabama Kino gezeigt.

Viele nahmen die Möglichkeit wahr den Film zu sehen und danach mit dem Filmemacher ins Gespräch zu kommen. Uns hat besonders die sehr positive Resonanz unserer Arbeit als Initiative gefreut.

 

 

 

Die Ausstellung könnt ihr noch bis zum 27.10.24 im Foyer auf Kampnagel sehen. Dort findet ihr auch die Schautafeln zum Lagerhaus G und zu uns als Initiative. Falls ihr noch kein Heft mit unseren Nutzungsvisionen habt, versorgt euch vor Ort mit Exemplaren.

Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten von Kampnagel zugänglich und der Eintritt ist kostenlos.

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Statement der Initiative Dessauer Ufer, 1.10.2024

Statement der Initiative Dessauer Ufer, 1.10.2024

Vom 26.-28.9.24 fand im Hamburger Hafen unter dem Namen „Red Storm Alpha“ eine Verteidigungsübung der Bundeswehr statt. Dabei wurde der Transport großer Truppenverbände an die sog. „NATO-Ostflanke“ über die Hafeninfrastruktur geprobt.

Als Szenario diente eine mögliche Bedrohung durch Russland. Im Kriegsfall wäre der Hafen als Drehscheibe ein Gebiet mit schützenswerter Infrastruktur. Zur Simulation gehörte u.a. die Einrichtung eines Checkpoints an der Hansabrücke vor dem Lagerhaus G.

Der Speicher diente ab 1943 als Unterbringungsort für mehrere tausend italienische Militärinternierte und war ab Juli 1944 das größte Außenlager des KZ Neuengamme im Hamburger Stadtgebiet. Dort waren zuerst 1500 als Jüdinnen verfolgte Frauen, die in Auschwitz als arbeitsfähig selektiert worden waren, interniert, danach etwa 2000 männliche KZ-Häftlinge. Alle Gefangenen mussten schwerste Zwangsarbeit in den kriegswichtigen Raffinerien, Werften, der Reichsbahn, den Wasserwerken etc. leisten. Mindestens 150 von ihnen starben bei Bombenangriffen auf das Gebäude.

An Sektion 8 des Lagerhauses G sind seit Ende der 1980er Jahre Tafeln angebracht, die an die Geschichte des Ortes erinnern. An dieser Stelle werden seitdem Gedenkveranstaltungen abgehalten und Blumen und Kränze abgelegt. Zudem ist in unmittelbarer Nähe ein Stolperstein eingelassen. Genau hier hatten nun 100 Bundeswehrsoldaten, die auf dem Kleinen Grasbrook drei Tage lang den Angriffsfall übten, einen Checkpoint errichtet – den Vorplatz des Gebäudes (dem ehemaligen Appellplatz, auf dem die Gefangenen täglich antreten mussten und zur Zwangsarbeit eingeteilt wurden!) mit Stacheldraht und Panzerfahrzeugen gesichert, Maschinenpistolen im Anschlag.

Die Initiative Dessauer Ufer setzt sich seit 2017 engagiert dafür ein, dass das baufällige Gebäude erforscht und instand gesetzt wird, damit es künftig eine öffentlich zugängliche Gedenkstätte sein kann. Wir erinnern schon heute vor Ort an das System der KZ-Außenlager in Hamburg und an die mörderische Zwangsarbeit während des Nationalsozialismus. Die Initiative ist zudem in Kontakt mit Überlebenden und ihren Angehörigen. Das Bild, das sich uns bei Führungen an diesem Wochenende bot, löste bei den Besucher*innen Entsetzen und Wut aus.

Ein Gespräch mit dem Pressevertreter der Bundeswehr vor Ort zeigte, dass es den Soldaten auch nach drei Tagen Checkpointbetriebs direkt vor den Gedenktafeln nicht ins Bewusstsein gekommen war, wo sie sich da aufgestellt hatten. Der Bitte, das über dem Stolperstein thronende Panzerfahrzeug ein paar Meter zu versetzen, wurde mit dem Hinweis, der Reifen berühre diesen nicht, abgelehnt.

Die ahistorische Unprofessionalität der verantwortlichen Militärs zeigt sich also auch darin, dass sie in Kauf nahmen, dass ihre martialische Präsenz vorm Lagerhaus G eine maximale Missachtung des Ortes zum Ausdruck bringt.

Man muss es daher wohl noch einmal klar sagen: Ein Ort, an dem mehrere tausend Menschen (die nebenbei bemerkt vor allem aus den Gebieten stammten, die da heute als „NATO-Ostflanke“ firmiert) inhaftiert und als Zwangsarbeitende gedemütigt, missbraucht und umgebracht wurden, ist absolut ungeeignet für militärische Übungen. Und zwar aus Respekt vor den Gefangenen und Toten, die Opfer eines faschistischen Regimes wurden, das durch das Militär stabilisiert und exekutiert wurde.

Erneut stellt sich mit Vehemenz die Frage, wie mit einem Ort, der wie kein anderer für nationalsozialistische Zwangsarbeit in Hamburg steht, umgegangen werden soll und wie angemessene Erinnerung dort aussehen könnte. Die jüngsten Ereignisse zeigen zum wiederholten Male, dass die Stadt Hamburg drauf keine vernünftige Antwort hat.

Die Ankündigung, diese Übung in 2025 „an gleichem Ort“ mit 250 Soldaten wiederholen zu wollen, trifft auf unseren entschiedenen Widerspruch.

Pfui Deibel!

 

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Save the Date: Kulturretter:innen und Initiative Dessauer Ufer auf Kampnagel

Am 25.09.24 kommt die Wanderausstellung der Kulturretter:innen nach Hamburg und wird im Kampnagel-Foyer gezeigt. Als Teil der Kulturretter:innen findet ihr auch eine Ausstellungstafel zu unserer Initiative.

Als Begleitprogramm zur Ausstellung wird am 06.10.24, 17:30 Uhr der Film ‚Lagerhaus G‘ vom Filmemacher Markus Fiedler gezeigt. Im Anschluss laden wir zu einem Gespräch mit Markus ein.

 

 

Von 1944-1945 wurde das Lagerhaus G im Hamburger Freihafen als KZ-Außenlager für das KZ Neuengamme genutzt. Bis heute lassen sich Spuren von Inhaftierten im Lagerhaus G finden. Das Haus und die Objekte erzählen von Menschen. Wenn niemand sie bewahrt, verrotten sie. Damit geht auch ein Stück Geschichte verloren. Der Dokumentarfilm »Lagerhaus G« beleuchtet Vergangenheit und Gegenwart des Lagerhaus‘ G und entwirft eine mögliche ­Zukunft. Zeitzeug*innen und Historiker*innen sprechen über die unsichtbare Geschichte der Zwangsarbeit im Hamburger Hafen. Der Film wird im Rahmen der Ausstellung KULTURRETTER:INNEN gezeigt, mit anschließendem Gespräch mit dem Filmemacher Markus Fiedler (Initiative Dessauer Ufer).

Sobald die Karten für die Vorstellung, die im Alabama-Kino gezeigt wird, erhältlich sind, könnt ihr diese hier kaufen.

Wir freuen uns auf euch!

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Zu Gast bei concrete cracks #7

Ihr habt unseren Radiobeitrag verpasst? Wir waren am 28.07.24 bei concrete cracks zu Gast um zum Thema ‚Wie erinnert eine Stadt?‘ zu sprechen.

seit 2017 setzt sich die initiative dessauer ufer für die einrichtung einer gedenkstätte und eines stadtteilbegegnungszentrums am ehemaligen kz-außenlager dessauer ufer in hamburg ein. gegründet hatte sich die initiative vor dem hintergrund der bevorstehenden umwandlung des kleinen grasbrooks vom hafengebiet zum neuen stadtteil und der erfahrung mit dem umgang der stadt mit anderen erinnerungsorten in hamburg wie dem stadthaus.
wir sprechen mit markus von der initiative über erinnerungspolitiken und -orte, geschichtsvermittlung und über die geschichte und zukunft des lagerhaus g.

Hört hier gerne rein.

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